Cineasten können im Berliner Ortsteil Friedrichshain und Umgebung lebendige Kinogeschichte erleben. Wir laden Sie ein zu einem Spaziergang in die turbulente Zeit des „Kintopp“.
70er-Style mit Kachelofen: Kino Intimes
Vom Goldhotel spazieren wir in Richtung Warschauer Straße. Unser Weg führt uns vorbei am Ladenkino B!Ware. Schon nach etwa fünf Minuten gelangen wir zu einem Eckgebäude mit auffälliger Leuchtreklame. „Intimes“ steht da, in grellen Vintage-Lettern. Das Kino Intimes ist eines der ältesten Lichtspielhäuser Berlins. Es wurde bereits 1909 als kleines Ladenkino gegründet, damals noch unter dem Namen „Lichtspiele des Ostens“.
Die Einrichtung des heutigen Kinos stammt größtenteils aus den 1970er Jahren. Filmfreunde können sich in die gemütlichen Plüschsessel schmiegen. In dem kleinen Saal mit klassischer Holzvertäfelung und Wandbespannung steht sogar noch ein alter Kachelofen. Doch die Projektionstechnik ist heute digital. Das Programm reicht von aktuellen Blockbustern bis zu thematischen Filmreihen und Wiederaufführungen klassischer Filmkunst. Zum Kino Intimes gehört auch ein gemütliches Café.
Auferstanden aus Ruinen: Tilsiter Lichtspiele
Unser weiterer Weg führt uns vorbei am Frankfurter Tor, über die Karl-Marx-Allee hinweg, in die Richard-Sorge-Straße. Als hier 1908 ein kleines Kino namens „Tilsiter Lichtspiele“ gegründet wurde, hieß die noch Tilsiter Straße. In den 20er und 30er Jahren zeigte das Kino die großen Blockbuster der Zeit. In der Nachkriegszeit musste es jedoch schließen. Angeblich wurden die Aufführgeräte Anfang der 60er Jahre abgebaut. Ein filmbegeisterter Sowjetoffizier soll sie mitgenommen haben, um in der Stadt Sowjetsk – ausgerechnet dem früheren Tilsit – ein Kino aufzubauen.
Ob das wirklich stimmt, sei dahingestellt. 1961 wurde jedenfalls ganz in der Nähe das Großraumkino „Kosmos“ eröffnet. Der moderne Bau entsprach eher dem Geschmack der Zeit, die „Tilsiter Lichtspiele“ blieben geschlossen. Erst 1994 machten sich drei Filmschaffende daran, das alte Kino wiederzueröffnen. Als Vorlage für die Sanierung diente ihnen ein Foto von 1938. Darauf zu sehen ist auch die Außenwerbung für zwei zeitgenössische Kriminal-Streifen, die offenbar an diesem Tag liefen: „Schüsse in Kabine 7“ und „Großalarm“.
Heute kann man im Programmkino vorrangig aktuelle Arthouse-Filme aus Europa, Amerika und Asien sehen, ebenso wie Filmklassiker. Nichtdeutschsprachige Filme werden meist in ihren Originalfassungen gezeigt. Seit 2015 haben die Tilsiter Lichtspiele einen zweiten Kinosaal, in dem ausschließlich Dokumentarfilme gezeigt werden. Außerdem finden hier Lesungen, Hörspielpremieren und auch Konzerte statt. Danach lädt die liebevoll eingerichtete Kneipe dazu ein, bei Bier oder Wein noch ein wenig über Filme zu sprechen. Kurios: An einem historischen Automaten aus der Weimarer Republik namens „Tilsomat 2000“ kann man kleine Snacks erwerben.
Am Anfang war das Moviemento
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts waren Filmvorführungen noch kleine Spektakel. Das Publikum trank und rauchte, es wurde gejohlt und gefeiert. Wussten Sie, dass der Begriff „Kintopp“ eine Berliner Sprachschöpfung ist? Mit dem Ausdruck wurden seit Anfang des Jahrhunderts sowohl einzelne Spielfilme als auch das Kino an sich bezeichnet. Der erste Teil des Worts – „Kin“ – ist eine Abkürzung für Kinematografie. Zum zweiten gibt es mindestens zwei Theorien: „Topp“ nannte man im Berliner Slang einen Bierkrug. Aber auch ein Mann namens Alfred Topp könnte den Ausschlag gegeben haben. Herr Topp eröffnete schon 1907 das „Lichtspieltheater am Zickenplatz“ in Kreuzberg. Das nennt sich heute „Moviemento“ und ist das älteste noch aktive Kino der Stadt.
In den 1970er Jahren war es unter dem Namen „Tali-Kino“ eine Sensation im damaligen Westberlin. Unter anderem wurde hier regelmäßig die „Rocky Horror Picture Show“ aufgeführt, wobei es im Publikum zu wilden Szenen kam. Anfang der 1980er Jahre entwickelte es sich unter dem Namen „Das lebende Bild“ zum angesehenen Programmkino. Tom Tykwer arbeitete dort als Filmvorführer. Heute lässt er als Regisseur der Serie „Babylon Berlin“ die turbulente Metropole der Weimarer Republik wiederauferstehen.
Foto: Tilsiter Lichtspiele 2012, Wikicommons